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Bedeutung von Semantik in der Technischen Kommunikation
Heute wird daher immer häufiger über Semantik gesprochen, insbesondere im Zusammenhang mit Begriffen wie „Semantisches Web“ oder „Semantisches Wissensmanagement“. Doch was genau bedeutet Semantik und wie relevant ist sie für die Technische Dokumentation?
Für viele Industrieunternehmen wird gute Produktkommunikation zunehmend zur Herausforderung: Produkte und Sortimente werden komplexer. Die Menge an technischen Informationen wächst rasant. Die Kriterien an die Art und die Bereitstellung von Inhalten verändern sich, einerseits durch Kundenerwartung, andererseits durch moderne Technologien wie Künstliche Intelligenz. Um heterogene Produktinformationen, die meist in diversen Datensilos verstreut sind, effizient zu nutzen, braucht es neue Strukturen und Herangehensweisen.
Was ist Semantik?
Semantik bezieht sich auf die Bedeutung von Wörtern, Sätzen oder Ausdrücken innerhalb einer bestimmten Sprache. Es geht darum, wie Wörter und Sätze Bedeutung transportieren und wie diese Bedeutungen interpretiert werden können.
„Ein einfaches Beispiel für Semantik ist das Wort ‚Schlange‘“, so Dr. Martin Ley, Professor für Informationsmanagement an der Hochschule München. „Zuerst denkt man wahrscheinlich an ein Tier. Wenn jemand aber zum Beispiel sagt: ‚Ich stehe in der Schlange‘ bedeutet es, dass er in einer Warteschlange steht. Die Semantik hilft uns also dabei zu verstehen, welche Bedeutung ein Wort oder ein Satz in einem bestimmten Kontext hat.“
In der Produktkommunikation geht es bei Semantik darum, Informationen mit präzisen Bedeutungen zu versehen und diese maschinenlesbar zu strukturieren, zum Beispiel durch Metadaten. Begriffe wie „Druckventil“ oder „Sensorgruppe“ werden in semantischen Modellen wie Ontologien, Taxonomien oder Thesauri so beschrieben und verknüpft, dass ihre technische Funktion, Position und Beziehung zu anderen Komponenten klar definiert ist. Dadurch entstehen semantische Informationen.
Was ist semantisches Wissensmanagement?
Semantisches Wissensmanagement bezieht sich auf die Nutzung von Technologien und Methoden der semantischen Analyse und Modellierung, um das Wissensmanagement in Unternehmen und Organisationen zu verbessern. Es geht darum, die Bedeutung und Beziehungen zwischen den Daten zu erfassen und eine einheitliche Sicht auf die Informationen zu schaffen, unabhängig von ihrer Quelle oder ihrem Format.
Im semantischen Wissensmanagement werden semantische Modelle wie Ontologien, Taxonomien oder Thesauri verwendet, um die Bedeutung der Daten zu beschreiben und Beziehungen zwischen den Daten herzustellen. Diese Modelle können helfen, Daten in verschiedenen Formaten und aus verschiedenen Quellen zu integrieren und sie für eine einfachere Suche und Analyse zugänglich zu machen.
So entsteht eine konsistente Wissensbasis, die nicht nur die technische Dokumentation effizienter macht, sondern auch automatisierte Prozesse, semantische Suchen und Analysen, intelligente Serviceanwendungen oder digitale Zwillinge unterstützt.
„Insbesondere in Unternehmen, die mit einer großen Menge an unstrukturierten Daten und Informationen arbeiten, kann semantisches Wissensmanagement von großer Bedeutung sein. Es ermöglicht ein besseres Verständnis der Informationen und erleichtert die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Abteilungen, indem es eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung von Informationen und eine gemeinsame Basis für die Entscheidungsfindung schafft“, erläutert Dr. Martin Ley.
Unternehmen, die Semantik in ihre technische Kommunikation integrieren, legen damit das Fundament für zukunftsfähige Informationssysteme.
Was ist die semantische Treppe?
Um semantische Informationen systematisch zu organisieren und ihre Beziehungen darzustellen, nutzt man in der technischen Kommunikation eine hierarchische Struktur: die sogenannte semantische Treppe. Sie stellt bildlich dar, wie Begriffe von einfachen Definitionen bis hin zu komplexen Ontologien strukturiert werden. Mit jedem Schritt nimmt die semantische Tiefe zu.

Glossar: Ein Glossar ist eine alphabetisch geordnete Liste von Fachbegriffen und Definitionen, die in einem bestimmten Fachgebiet verwendet werden. Es dient dazu, die Bedeutung und Verwendung von Fachbegriffen zu erklären und sicherzustellen, dass eine einheitliche Verwendung von Begriffen erfolgt.
Taxonomie: Eine Taxonomie ist eine hierarchische Organisation von Begriffen in Kategorien oder Klassen, um die Beziehungen zwischen ihnen zu definieren. Taxonomien werden häufig verwendet, um Informationen zu organisieren und zu strukturieren, so dass sie leichter gefunden und verwendet werden können.
Thesaurus: Ein Thesaurus ist eine Sammlung von verwandten Wörtern oder Begriffen, die geordnet und kategorisiert sind. Ein Thesaurus dient dazu, die Bedeutung von Wörtern zu erklären und Synonyme und andere verwandte Begriffe zu identifizieren. Ein Thesaurus wird oft in der Informationssuche und -verarbeitung eingesetzt, um die Präzision und Relevanz von Suchergebnissen zu verbessern.
Semantisches Netz: Ein semantisches Netz ist eine grafische Darstellung von Konzepten und ihren Beziehungen zueinander. Es dient dazu, die Bedeutung von Begriffen und die Beziehungen zwischen ihnen zu visualisieren und zu erklären.
Ontologie: Eine Ontologie ist ein semantisches Modell, das die Bedeutung von Begriffen und die Beziehungen zwischen ihnen formal definiert. Eine Ontologie umfasst normalerweise eine Reihe von Konzepten, Attributen, Eigenschaften und Beziehungen, die in einem bestimmten Kontext relevant sind.
Diese Wissensmodellierung dient dazu, die Bedeutung von Begriffen und Beziehungen zwischen ihnen zu definieren und zu beschreiben, um einheitliche Sichten auf Informationen zu schaffen.
Wissensgraphen als praktische Anwendung von Semantik
Wissensgraphen sind eine konkrete Form, semantische Modelle wie Ontologien oder Thesauri technisch nutzbar zu machen. Sie verknüpfen Entitäten – etwa Produkte, Bauteile, Normen oder Prozesse – mit ihren Eigenschaften und Beziehungen und bilden daraus ein semantisches Netz. Dadurch lassen sich Informationen aus verschiedenen Quellen, ob strukturiert oder unstrukturiert, zusammenführen und in einem gemeinsamen Kontext darstellen.
Für die technische Kommunikation bieten Wissensgraphen erheblichen Mehrwert: Inhalte können modular verwaltet, kontextsensitiv bereitgestellt und nutzerzentriert abgerufen werden – etwa durch die Frage: „Welche sicherheitsrelevanten Hinweise gelten für Bauteil X in Produktvariante Y?“
Damit werden Wissensgraphen zur Brücke zwischen semantischer Theorie und praktischer Informationsnutzung im Unternehmen.
Einführung von Wissensgraphen in Unternehmen
Der technischen Kommunikation ein semantisches Fundament zu geben, muss für Unternehmen kein Großprojekt sein. Ein Pilotprojekt mit ausgewählten Produkten oder Datenpunkten bietet sich als erster Schritt an. So ein Proof of Concept ermöglicht es, konkrete Anwendungsfälle für semantische Produktinformationen zu testen – etwa die Verbesserung der Informationssuche in Serviceportalen oder die Automatisierung von Übersetzungen. So werden Quick Wins sichtbar, die den Mehrwert von semantischem Wissensmanagement für andere Abteilungen und Unternehmensbereiche greifbar machen. Eine Beratung zum Thema Wissensgraphen bietet sich an.
Hoher Nutzen von Semantik in der technischen Redaktion
Ein semantischer Ansatz in der technischen Kommunikation bietet Unternehmen messbare Vorteile, die über die reine Strukturierung von Inhalten hinausgehen. Durch die systematische Modellierung von Begriffen und deren Beziehungen steigt nicht nur die Qualität der Produktkommunikation, sondern auch die Effizienz in zentralen Geschäftsprozessen.
Auffindbarkeit: Sind Informationen mit Bedeutung angereichert, können Inhalte gezielter und schneller gefunden werden. Semantische Modelle ermöglichen eine kontextbasierte Suche, die weit über einfache Schlagwortabgleiche hinausgeht.
Übersetzbarkeit: Semantik verbessert die automatische Übersetzung von Texten. Wenn Informationen semantisch angereichert sind, kann eine Übersetzungsmaschine den Text besser verstehen und somit eine präzisere Übersetzung liefern.
Individualisierbarkeit: Basierend auf den semantischen Erkenntnissen über die Interessen und Präferenzen des Nutzers können Inhalte automatisch angepasst werden.
Konsistenz: Semantik ermöglicht eine konsistente Verwendung von Terminologie in allen Abteilungen und stellt sicher, dass die gleichen Begriffe und Definitionen in allen Dokumenten und Anwendungen verwendet werden.
Zukunftsfähigkeit: Semantische Modelle tragen dazu bei, dass nicht nur Menschen, sondern auch Maschinen Informationen besser verstehen und verarbeiten. Damit bilden sie die Basis für intelligentes Wissensmanagement, auf der datengetriebene Informationsprodukte wie digitale Zwillinge entwickelt und Instandhaltungsstrategien wie Predictive Maintenance realisiert werden.
Es wird also klar, dass ohne Semantik alles bedeutungslos ist. Semantik ermöglicht eine flexible Informationsbereitstellung und ist gerade auch im Hinblick auf die Verwendung von Künstlicher Intelligenz von hoher Wichtigkeit.
Podcast: Die Bedeutung von Semantik
Mehr zum Thema Semantik erfahren Sie im Doku-Lounge-Podcast mit Dr. Martin Ley und Kerstin Berke von Quanos. Dabei geht es um Fragen wie: Wodurch werden vermeintlich smarte Informationen überhaupt smart? Welche Bedeutung haben Metadaten und wie stehen diese in Beziehung zueinander? Warum ist das wichtig für die Technische Redaktion?
Autor: Sandy Hedig, Marketing Managerin bei PANTOPIX, in Zusammenarbeit mit Dr. Martin Ley, Professor für Informationsmanagement an der Hochschule München.
Stand: September 2025

Sandy Hedig
Marketing Manager
PANTOPIX

Dr. Martin Ley
Managing Director
PANTOPIX
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Maraike Heim
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